Mit der Transportinnovation Weichentransportwagen und Prozessorientierung zum Erfolg.
Weichentransportwagen - ein Beitrag zur Prozessorientierung bei SBB Infrastruktur.
RolandHenz
Leiter Bahntechnik Center
Beim Weichenumbau sind Qualität, Zeit, Kosten und Ressourcennutzung entscheidend. Weichen sollen deshalb nach Möglichkeit vormontiert auf der Baustelle eintreffen. Für dieses «Just in Time» genannte Prinzip werden Spezialwagen benötigt. Die SBB und Sersa sowie weitere Bahnspezialisten haben Ende der 1990er-Jahre die ersten Schrägtransportwagen konstruiert. Daraus entwickelte sich die grösste Weichentransportwagenflotte Europas.
Bis Mitte der 1990er-Jahre waren Weichenerneuerungen eine zeit- und kostenintensive Angelegenheit. Weichen wurden im Weichenwerk – beispielsweise dem SBB Bahntechnik Center in Hägendorf – gemäss Vorgaben gefertigt, für den Transport wieder zerlegt und schliesslich auf der Baustelle erneut zusammengesetzt. Fehlende Montageplätze und enge Platzverhältnisse erschwerten diese Arbeiten oft.
Doch was wäre, wenn man bereits montierte Weichen direkt auf die Baustelle transportieren könnte? Mit welchen Transportwagen könnte man dies umsetzen?
1995 brachte Konrad Schnyder, Inhaber und CEO Sersa Group, von einer Finnlandreise die Idee mit, Weichen mit Schrägtransportwagen auf die Baustelle zu transportieren. Schrägtransportwagen gab es bereits seit längerer Zeit, doch diese kamen nicht wirklich über das Stadium des Prototyps hinaus und wurden deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Eine von Schnyder gründete Arbeitsgruppe mit Bahnspezialisten brachte das System zur Reife. Ab 1997 beteiligte sich die SBB am Vorhaben, Weichentransportwagen für die Schweiz zu bauen. Doch die bisherigen Vertragspartner zogen sich 1998 aus dem Projekt zurück. Erst mit Matisa SA in Crissier (CH) fanden die SBB und Sersa einen Anbieter, mit dem die Weichentransportwagen entwickelt und produziert werden konnten. Im Juni 1999 wurden die ersten beiden Weichentransportwagen ausgeliefert.
Die Ladefläche des Weichentransportwagens besteht aus zwei getrennten, aber synchron zu bewegenden Plattformen. Diese sind während des Transportes schräg gestellt. So wird das vorgegebene Lichtraumprofil selbst bei schwierigen geografischen Verhältnissen eingehalten. Gleichzeitig wird die maximale Ladekapazität ausgenutzt. Der Weichentransportwagen in der Version Plus erlaubt zudem das Mitführen von Langschwellen mit einer Länge von 4,4 bis 4,8 Meter und deren Montage direkt auf dem Wagen. Das bedeutet, dass jedes Weichenteil komplett montiert durch den Schienenkran abgeladen werden kann. Auch der Weichenantrieb kann im montierten Zustand mitgeführt werden. Dadurch ist die Weiche bei ihrer Ankunft einbaufertig für den Anschluss bereit.
Technische Daten des Weichentransportwagens.
Leergewicht 40 t
Zuladung 40 t
Gesamtlänge 25.26 m
Maximale Schwellenlänge 4,8 m
Kleinster Kurvenradius 70 m
Höchstgeschwindigkeit 100 km/h (leer) 120 km/h (beladen)
Dank Weichentransportwagen zum neuen Weichenstandard.
Mit den neuen Weichentransportwagen können die im Weichenwerk vormontierten Weichen – mit Schwellen aus Holz, Beton und Stahl sowie mit montierten Schwellenkappen – direkt auf die Baustelle transportiert werden. Dieses neue Einbausystem wurde «Just in Time» benannt und setzte sich auch dank wachsender Anzahl Weichentransportwagen rasch durch: 2003 waren bereits 20 Weichentransportwagen im Einsatz, 2019 waren es 32.
Für die Produktion der Weichentransportwagen gründeten die Sersa und die SBB gemeinsam die einfache Gesellschaft Euroswitch, welche 2004 in die Euroswitch AG überführt wurde. Die SBB war dabei Hauptaktionärin und Hauptauftraggeberin. Per Januar 2014 integrierte sie die Euroswitch AG vollständig in ihr Unternehmen. Mittlerweile betreibt die SBB die grösste Flotte an Weichentransportwagen in ganz Europa.
Das SBB Bahntechnik Center in Hägendorf hat sich auf die Produktion von einbaufertigen Weichen spezialisiert: Im Weichenwerk wird die Weiche massgefertigt, montiert und geprüft. Dabei ist die Montagezeit einer solchen Weiche rund 60 Prozent kürzer als diejenige einer herkömmlichen Weiche. Zudem weist sie eine höhere Fertigungsqualität und Präzision auf als eine auf der Baustelle montierte Weiche. Anschliessend wird die Weiche mit den Weichentransportwagen auf die Baustelle geliefert – auch bei laufendem Bahnbetrieb. Die Altweiche wird mit den gleichen Weichentransportwagen direkt abtransportiert und der Entsorgung übergeben. Bei der SBB hat sich das zeit-, platz- und kostensparende «Just in Time»-Prinzip vor über 20 Jahren durchgesetzt.
Als Infrastrukturbetreiberin, Weichenproduzentin und Mitentwicklerin der Weichentransportwagen verfügt die SBB über langjährige Erfahrung und Expertise beim gesamten Wertschöpfungsprozess. Davon können auch andere Infrastrukturbetreiber und Gleisbaufirmen profitieren. Die SBB bietet – in Zusammenarbeit mit bewährten Partnern – massgeschneiderte Leistungen an, von Einzelteilen für Weichen über schlüsselfertige Weichenumbauten bis zur Entsorgung.